Starwittchen – Tanztherapie mit Kindern im Grundschulalter
von Silvia Heydenreich
Nach meiner Ausbildung in Holistischer Tanz- und Bewegungstherapie hatte ich die Idee, diese Arbeit mit Kindern im Grundschulalter umzusetzen und entwickelte mit meiner Kollegin, der Tanztherapeutin Barbara Jantos-Leiter, den Kurs „Spielraum – Bewegungsraum“. Hier bieten wir bewegte Spiele in der Gruppe an, Tanztheater und Phantasiereisen und geben den Kindern die Möglichkeit, ihr Erleben auch mit Farben und Naturmaterialien zu gestalten.
Die Kinder können in Bewegung ihre Stärken und Grenzen erleben, sich in etwas hineinfühlen und zusammen auf Entdeckungsreisen gehen. Im Einklang mit den Jahreszeiten suchen wir mit ihnen bestimmte Themen aus, gestalten z. B. mit Laub und Kastanien einen Herbstwald und spüren den verschiedenen Wesen nach, die dort auftauchen. Die Kinder sind hier sehr einfallsreich, nutzen und verändern das angebotene Material auf immer neue Weise. Manchmal ist auch das Bedürfnis da, einen vielleicht beängstigenden Traum zu erzählen, in der Gruppe nachzuspüren, was das Kind hier innerlich bewegt und das mit dem Körper zum Ausdruck zu bringen.
In unserer wöchentlichen Gruppe haben wir seit einem Jahr fast durchgehend dieselben Teilnehmer, so dass wir ihre Entwicklung gut beobachten können. An einem dieser Nachmittage haben wir 5 Jungen und 2 Mädchen in der Gruppe. Da die Kinder es lieben, sich zu verkleiden und selber Geschichten zu entwickeln, sammeln wir Vorschläge aus der Gruppe, was wir heute spielen könnten. Die Jungen sind einstimmig für Star Wars, die Mädchen doch eher für Schneewittchen… – also überlegen wir, wie wir daraus eine Handlung machen können, die auch die Bewegungsbedürfnisse der Kinder mit einbezieht. Eins der Mädchen erzählt das Märchen von Schneewittchen und jedes Kind trägt dazu bei, an was es sich von der Geschichte erinnert. Die 7 Zwerge lassen sich gut mit Star-Wars-Figuren kombinieren, die beiden Mädchen sind Königin/böse Stiefmutter und Schneewittchen. Es sind einige Mehrfachrollen zu besetzen, z. B. Jäger/Krieger/Zwerg – und ich werde noch als Monster eingesetzt, gegen das die Krieger-Zwerge kämpfen müssen. Meine Kollegin führt durch die Geschichte, damit wir eine gewisse Struktur haben.
Dann geht es ans Verkleiden und Schminken, die Kinder haben auch eigene Sachen mitgebracht. Während sich die Zwerge in wüste Gesellen verwandeln, sticht unser „Prinz“ stark heraus. Er trägt ein weißes Gewand mit goldener Schärpe. Da sein Auftritt ja erst gegen Ende der Geschichte kommt, möchte er solange „der Engel Gottes“ sein, der die Handlung auf seine besondere Weise beeinflusst. Meine Kollegin und ich sind beeindruckt, wie selbstbewusst und klar dieser 9jährige Junge, obwohl auch Star-Wars-Fan, sich diese Rolle wählt, die auch keines der anderen Kindern in Frage stellt. Gerade bei diesem Kind ist uns die motorische Entwicklung aufgefallen. Noch vor einigen Monaten ist er bei Bewegungsspielen oft irgendwo angestoßen, aber inzwischen hat er eine ganz andere Körperwahrnehmung und ist insgesamt selbstsicherer geworden. Bei Sequenzen, in denen sich die Kinder zeitweise mit geschlossenen Augen durch den Raum bewegt haben, war er unsicher oder bemerkte nicht rechtzeitig, wenn eine Wand auftauchte, so dass wir gut auf ihn aufpassen mussten. Jetzt bewegt er sich gewandt und sicher, auch setzt er seine wachsenden Kräfte gerade im Umgang mit den Kleineren vorsichtig ein.
Unser Märchen nimmt an diesem Nachmittag seinen Verlauf, Schneewittchen wird vergiftet und gerettet, die Zwerge schuften im Bergwerk, kämpfen und sorgen sich um ihr Schneewittchen und die böse Stiefmutter ist heute besonders fies. Alle gestalten ihre Figur sehr phantasievoll und bringen ihre Persönlichkeit und eigene Ideen mit ein, so dass die 90 Minuten gut ausgefüllt sind. Außerdem haben sich noch drei kleine Nachbarmädchen am Fenster vom Garten aus als Zuschauerinnen eingefunden, die von der Mutter mit Saft und Salzbrezeln versorgt werden…
In der Abschlussrunde, zu der wir uns immer noch zusammensetzen, berichten die Kinder, was ihnen gefallen hat oder was sie an den anderen Teilnehmern positiv bemerkt haben. Außerdem äußern sie auch gleich Wünsche für die nächste Woche, so dass wir alle zusammen unsere Stunden immer abwechslungsreich und lebendig gestalten.
Silvia Heydenreich ist Leiterin für Holistische Tanz- und Bewegungstherapie und arbeitet mit Kindern und Erwachsenen im Südosten von München. Näheres zu Silvia Heydenreich auch in ihrem TherapeutInnen-Profil.